Till Bochmann
Wir sind hier, um Räume zu spüren und Orte zu schaffen. Jeder Raum, Platz, Bereich, Ecke und so weite hat sein ganz eignes Gefühl. Dieses Gefühl ist das poetic image*, quasi das Bild, welches sich spontan und intuitiv in deinem Kopf abbildet. Dabei ist ein Raum nicht immer von Wänden bestimmt, sondern kann sich auch durch Materialität, Licht oder Höhenunterschiede abgrenzen. Somit kann Raum mit der dazugehörigen Atmosphäre, welche das poetic image* hervorruft, sehr individuell sein, aber es ist auch möglich Räume vorzubestimmen. Diese Räume werden dann mit einem artistic image* geschafften, d.h. der creator schafft einen Raum mit einer Intension ein bestimmtes Bild zu vermitteln, das heißt aber nicht, dass z.B. du, diese Idee teilst, du kannst auch etwas anderes sehen und fühlen als der creator angedacht hat. Stehen wir nun in solch einem geschaffenen Raum, kann man feststellen, dass der gesamte Körper involviert ist, man hört die Schritte, man spürt die Kälte, man fühlt die raue Oberfläche und man sieht die verschiedenen Formen. All diese Sinneseindrücke kommen zusammen und lassen dich den Raum, in dem du gerade stehst, fühlen. So verbindet man diese Eindrücke immer mit einer Erinnerung und einen bestimmten Ort und ohne diese Eindrücke wäre der Ort nicht der Ort. Demzufolge kann die Gleichung body + space = place aufstellen, dies bedeutet, jeder Mensch kann aus einem Raum mit Hilfe von seinen Gefühlen einen Ort schaffen. Was nun dieser Ort jedem Einzelnen bedeutet, kann sehr unterschiedlich sein. Und so befinden wir uns wieder am Anfang mit; Räume spüren und Orte schaffen.
A visit to the Maria Regina Martyrum memorial church in Berlin, built in 1963 by architects Hans Schädel and Friedrich Eber…
WHAT
RAU
Hier in meiner goldenen Zuflucht zog es mich zum Licht. Es war die Grenze zwischen meiner Nische und dem großen Rest. Die gebauten Wände wirken wie, als wenn sie gewachsen wären, die Oberflächen war rau und jede Stelle war verschieden, mal hervorkommend, mal zurücknehmend aber nie wirklich glatt. Es war interessant, wie die einzelnen Wölbungen zusammenspielten und sich schichtweise änderten. Ich musste es ausprobieren und anfassen.
HOW
HAPTIK
Das Licht kontrastierte den Raum sehr stark, es beeindruckte durch seine Intensität und Gleichmäßigkeit. Das Licht fällt nicht direkt in den Raum, sondern dringt indirekte ein und wird von einer weißen Wand gegenüber der Öffnung re- flektiert, so erhält es seine Gleichmäßigkeit. Durch die große Fuge zwischen den beiden Wandelementen und deren unterschiedlichen Farbigkeit, entsteht das Gefühl, dass die weiße helle Fuge die Nische von dem Kirschenraum trennt. Der Effekt wird noch von der Anordnung des Grundrisses unterstütze, so ist die Nische breiter als die eigentliche Öffnung in der Wand, was das Raumgefüge der Nische von der Öffnung abgrenzt. So wird ein Gefühl der Eigenständigkeit erzeugt. Die Holzstruktur der Holzschalung lässt den Beton lebendig, fast schon wie gewachsen wirken. Mit Hilfe des Lichtes werden Löcher der Luftblasen, horizontalen Fugen der Schalungsstöße oder Jahresringe der Hölzer hervorgehoben. Das Spiel zwischen den Höhen und Tiefen in der Wand möchte ich nicht nur visuell, sondern auch haptisch erfahren. Materiell ist die Nische gleich der restlichen Räume gestaltet, rein durch die Farbigkeit der goldenen Glasur bekommt sie einen anderen Anschein. Dies schürt in mir das Verlangen die glasierte und die unglasierte Wand anzufassen, um her- auszufinden, inwieweit sie sich unterscheiden.
WHY
DIE OBERKIRCHE
Der obere Abschluss der Treppe bildet eine Empore, die für die Orgel und den Sänger*innen vorbehalten ist. Sie verwehrt den Blick von der Treppe nach oben in den rechteckigen Kirchenraum, welcher seitlich von holzverschalten Sichtbeton wänden umrahmt ist. Im vorderen Bereich befindet sich der Altarbereich mi mit dem Raum hohe Bild „Das himmlische Jerusalem“ von Georg Meistermann, welches das Lamm Gottes und die Offenbarung des Johannes darstellt. Im hinteren Bereich befindet sich eine kleine Beichtkapelle mit einer Skulptur des Schmerzensmannes. Am Austritt der Treppe schiebt sich die goldene Taufkapelle nach außen. In ihr befindet sich ein heller Taufstein aus Muschelkalk. Der Boden ist schwellenlos auf der gesamten Fläche mit hellen Granit-Platten ausgearbeitet und lässt damit die verschiedenen Räume miteinander verschmelzen.
WHAT
RUHE & GEBORGENHEIT
Nach dem sanften Zugleiten der Tür, was meine volle Aufmerksamkeit auf sich zog, wurde mir erst der Raum, in dem ich mich befand, bewusst. Der Geruch von brennendem Kerzenwach stieg mir in die Nasen und brannte sich in mein Gedächtnis. Es breitet sich ein Gefühl der Ruhe und Geborgenheit in mir aus und immer noch ist der Kerzengeruch all gegenwertig. Hier erst merke ich die Spiritualität, welche sich in diesem groben Gebäude versteckt, und fühle mich direkt viel ruhiger und geborgener.
HOW
SPOTLIGHT
Durch die spärliche Beleuchtung und den punktuell beleuchteten Stellen, bekommt der Raum Tiefe und wirkt kleiner als er eigentlich ist. Die gelbe Farbe der Lampen verleiht dem Raum wärme. Somit bekommt er eine ruhige, beschützende Ausstrahlung, wie eine kleine Höhle, die man früher aus Decken gebaut hat. Der intensive Wachsgeruch entsteht durch das herunter brennen der Kerzen in der Mitte des Raumes, welche einen warmen Lichtschein ausstrahlen. Die golden schimmernde Wand verleiht dem Raum etwas Edles und reflektiert das warme Licht in den Raum. Umringt wird der Raum von schwarzen Wänden, welche das Licht absorbieren und den Höhlencharakter weiter verstärken. Der Raum ist vollkommen von der Außenwelt abgeschottet und bekommt dadurch seine einzigartige Stille und Intensität und veranlasst die Menschen in ihm sich ruhig und andächtig zubewegen.
WHY
DIE KRYPTA
Die Krypta wurde dem Kirchenbau nachträglich hinzugefügt und dient als Kapelle und Gedenkraum. Für die Nutzung wurde der Raum durch eine goldene Wand in zwei Teile getrennt, im vorderen Teil befinden sich drei Sarkophage und im hinteren Teil befindet sich die Kapelle für die Heilige Messe. Die Sarkophage unter der Plastik beinhalten Opfer und Urkunden jener die aus Glaubens- und Gewissensgründen Widerstand gegen die Nationalsozialisten geleistet haben und aufgrund dessen ermordet wurden. Somit wird dem Raum eine andächtige, trauernde, aber auch Erinnernde Funktion zugeschrieben und unterstützt den Wille des Ordens „Karmel Regina Martyrium“ die „Erinnerung an das verhängnisvolle Geschehen wachzuhalten.“
LEER
Menschenleer und still war der Platz vor dem Haus. Ich kam mir verloren auf ihm vor und er hatte etwas bedrückendes. Ganz im Gegenteil ist ein Spielplatz, er ist voller kleiner Menschen, die toben, jubeln und wild durcheinander rennen. Diese Energie der Kinder stellte ich mir spannend auf einen solch großen Platz vor und wie anders er damit sein würde.
WHAT
SICHERHEIT
Nach dem Erklimmen der Treppe, zog es mich in die kleine goldene Nische, direkt am Treppenende. Ich suchte hier Zuflucht vor dem übermächtigen Raum, der alles umspannte. Sie hob sich dezent von ihrer grauen Umgebung ab, wie ein Licht am Ende eines Tunnels. Die Nische wirkte edler als ihre Umgebung aber nicht ab- gehoben, sondern, als hätte sie sich aus dem großen Raum herausgeschoben und wäre im Grunde immer noch ein Teil des Ganzen.
HOW
DIE NISCHE
Am Ende der Treppe gelegen ist die goldene Nische das Erste, was einem ins Auge fällt. Aufgrund der riesigen Dimensionen und allem voran der hohen Deckenhöhe war es schwer den Kirchenraum mit einem Blick zu verstehen, ich musste den ganzen Körper drehen, um mich umschauen zu können. Dies schürte die Verunsicherung in mir und war der Grund, dass ich direkt in den kleineren Seitenraum ging. Die Nische war kleiner und besser an die Dimensionen eines Meschens angepasst, auch die Deckenhöhe war deutlich geringer, wodurch man sich beschützt fühlte. Die goldene Rückwand hebt sich farblich stark von den grauen Betonwänden und Stützen ab. Die Oberfläche ist glatt und lässt Lichtspiele und Reflexionen auf sich zu, anders als die stumpfen Wände, die sie umrahmen. Dies machte den Raum facettenreich und interessant und hatte eine anziehende Wirkung. Trotz des farblichen Abhebens der Nische, wirkte sie dennoch als Teil des Innenraums, was durch die Nutzung der gleichen Materialien und dem schwellenlosen Boden hervorgerufen wird.
WHY
DIE KLOSTERKIRCHE
Die Klosterkirche Maria Regina Martyrum wurde von den Architekten Hans Schädel und seinem Mitarbeiter Friedrich Ebert entworfen und 1963 feierlich eingeweiht. Im Stile der Nach-kriegs-Moderne wurde die Kirche als Gedenkkirche, der deutschen Katholiken die Opfer der NS-Gewaltherrschaft wurden, errichtet und hatte den Zweck ein „Signal gegen das Vergessen“ der Gräueltaten auszusenden.die goldene Taufkapelle nach außen. In ihr befindet sich ein heller Taufstein aus Muschelkalk. Der Boden ist schwellenlos auf der gesamten Fläche mit hellen Granit-Platten ausgearbeitet und lässt damit die verschiedenen Räume miteinander verschmelzen.